TVS kommt nach Europa

Was dürfen wir von dem indischen Hersteller erwarten?

Es ist der drittgrößte indische Motorradproduzent, der viertgrößte Zweiradhersteller weltweit nach Marktanteilen und nun kommt TVS nach Europa. Ich bin für euch nach Bangalore in Indien gereist und durfte mir das Unternehmen genauer ansehen. Und das wird uns in Europa von TVS erwarte.

Europa ist der heilige Gral, sagt der TVS-Chefstratege Sharan Mohan Mishra zu uns. Wir, dass sind eine Handvoll europäischer Journalisten, die erstmals Einblicke in die TVS-Welt bekommen, da der indische Hersteller nun in Europa fußfassen will und zu einem Kennenlernen des Unternehmens und der Produkte nach Indien geladen hat. Die wichtigsten Eckdaten, um ein besseres Gefühl zu bekommen: Aktuell produziert TVS rund 3,9 Millionen Zweiräder und Dreiräder (Tuk Tuks) im Jahr! Läuft das Werk auf Volllast, rollt alle 45 Sekunden ein Fahrzeug vom Band. Laut TVS ist Indien aktuell der größte Zweiradmarkt der Welt, noch vor China. Derzeit ist man schon in über 80 Ländern weltweit aktiv, nur die Premiummärkte Europa, Australien und Amerika hatte man bisher noch nicht besetzt. Doch laut der Chefetage von TVS ist nun die richtige Zeit, um nach Europa zu kommen, 113 Jahre nach der Firmengründung. Für das Europageschäft ist maßgeblich Jan Breckwoldt zuständig. Der deutsche Zweiradmanager war schon davor bei Marken wie Suzuki, Peugeot und Polaris im Einsatz und hat nun als Head of Business Developement Europe eine große Aufgabe vor sich. Denn so ehrlich muss man sein: Kaum jemand in Europa wird TVS kennen. Oder vielleicht doch?

1000PS bei TVS in Indien
Die Firmengeschichte in fast allen TVS-Modellen seit Ende der 1970er-Jahre.

TVS: BMW-Partner und Norton-Eigentümer

Viele von uns haben schon mal ein TVS-Motorrad gesehen ohne es zu wissen. Dabei reicht es, einen Blick in den BMW Motorrad-Schauraum zu werfen. Denn die BMW G 310-Modellreihe kommt zu 100 Prozent aus Indien von TVS. Seit 2013 haben BMW Motorrad und TVS eine strategische Partnerschaft, die Einzylindermodelle wurden von BMW Motorrad entwickelt, gebaut werden sie aber komplett in Indien, genau genommen im Werk in Hosur, welches wir auch besuchen konnten. Aber nicht nur die G 310 R und G 310 GS rollen dort vom Band, auch BMWs neuer kleiner Elektroroller CE-02 wird in Indien von TVS produziert. Und bei unserem Werksbesuch wurden die Ingenieure nicht müde zu betonen, dass man in Sachen E-Mobilität ziemlich viel am Kasten hat, vielleicht sogar mehr als in München. Dazu aber später mehr. Neben der BMW-Connection gibt es noch eine andere Verbindung nach Europa: TVS hat 2020 die englische Traditionsmarke Norton gekauft und bereitet gerade dessen Wiederauferstehung vor.

1000PS bei TVS in Indien
Eine Produktionsstraße im Werk Hosur. 25 Sekunden hat jeder Mitarbeiter für seine Aufgabe.

Indien: Andere Voraussetzungen

Hat man einen unvoreingenommenen Blick auf den Motorradmarkt, stellt man fest: Im Großteil der Welt ist ein Motorrad oder ein motorisiertes Zweirad nicht mehr als ein lebensnotwendiges Fortbewegungsmittel. Im Idealfall wartungsarm, sehr robust und preiswert. In Asien gehört ein Roller oder ein kleines Motorrad fast zur Familie, immerhin werden bis zu fünf Personen darauf transportiert mit Sack und Pack. So gesehen, ist der europäische Motorradmarkt nicht repräsentativ für den Rest der Welt. In Asien, Südamerika oder Afrika wäre ein Hypernakedbike nie erfunden worden. Der Grund: In Relation keine Nachfrage vorhanden. In Europa und Amerika haben wir die Straßen, das Geld und den Performance-Gedanken, um solche Motorräder zu verlangen und auch tatsächlich zu kaufen. Es sind einfach gänzlich andere Rahmenbedingungen. Schaut man sich aber an, wo die europäischen Motorradhersteller zuletzt ihre neuen Fabriken eröffnet haben, ist das zum Großteil in Asien passiert. Warum? Natürlich geht es hier um Kosten. Lohnkosten sind im asiatischen Raum einfach geringer. Aber es ist nicht nur der Faktor Arbeit, es gibt auch logistische und fertigungstechnische Gründe, warum man nach Asien abwandert. So erzählte mir bei einer Reise davor ein chinesischer Hersteller, dass man innerhalb Chinas manche Teile wie Steuergeräte eines deutschen Unternehmens schneller und günstiger beziehen kann, da auch dieser Zulieferer ein Werk in China hat. Innerhalb Chinas sind die Transportkosten preiswerter und kürzer. Zack, Kostenvorteil gesichert, weil beide europäische Hersteller in China mit Niederlassungen und Produktionen näher waren als in Europa. Unglaublich. Und was hat das nun mit TVS zu tun? Ganz einfach: Mein Eindruck bei TVS in Indien war, dass uns die indische Geschäftsmentalität deutlich näher ist als jene in China. Indien ist die größte Demokratie der Welt, inoffiziell wird die Bevölkerung auf rund 1,5 Milliarden Menschen geschätzt. Und meine ganz subjektive Beobachtung war jene, dass man bei TVS einen Plan für die nächsten zwei Jahrzehnte in der Schublade hat, um am europäischen Markt zu reüssieren.

1000PS bei TVS in Indien
Bereits seit Anfang der 1980er-Jahre betreibt TVS durchgehend Rennsport.

Nachhaltigkeit auf Indisch

Hand aufs Herz: Viele von uns glauben doch noch, dass Indien gerade erst aufholt und noch weit abgeschlagen ist von europäischen Standards. Nun, hier muss ich ganz direkt sagen: eine grobe Fehleinschätzung. Das TVS-Werk in Hosur, kurz außerhalb von Bangalore im Süden Indiens, ist ein hochmodernes Zweiradwerk, leise, hell, sehr sauber und extrem strukturiert. Würde man nicht die vielen indischen Gesichter erblicken, das Werk könnte so auch in Europa oder Amerika stehen. Der Unterschied: Über 10.000 Mitarbeiter sind hier beschäftigt und das Thema Nachhaltigkeit ist hier kein Greenwashing-Gag sondern steht ganz oben im Lastenheft. Ein Beispiel: Auf rund einem Drittel der Werksfläche hat TVS einen Dschungel angelegt. Was mit ein paar Bäumen anfing, endete in einem kompletten Ökosystem mit Sumpflandschaft, Störchen und einer Vielzahl an Wildtieren, die sich hier angesiedelt haben. Direkt neben den Werkshallen, praktisch in Symbiose mit der Industrie. Bereits in den 1990er-Jahren so die Erzählung von TVS hat man erkannt, dass man als Industriebetrieb vom Land herum nicht nur nehmen, sondern auch geben muss, um langfristig erfolgreich zu sein. Dazu ein paar spannende Fakten: Die Fabrik in Hosur kommt zu 92 Prozent mit erneuerbarer Energie aus. Durch den Firmendschungel gibt man der Umgebung doppelt so viel Grundwasser retour, wie man entnimmt und die Wasser-Recyclingquote liegt bei 86 Prozent. Unterschiede zwischen Mann und Frau bei der Bezahlung (Gender Paygap)? Gibt es bei TVS nicht. Gleiche Arbeit, gleicher Lohn. Ist in Europa nicht Standard. Überhaupt fällt einem am Firmengelände auf, dass alles sehr sauber, sehr strukturiert und ruhig ist. Zwar gibt es keine Firmenuniform, aber alle Mitarbeiter laufen in TVS-Jeans und verschiedenen TVS-Poloshirts herum, vom Hilfsarbeiter bis zum Manager. Für die Belegschaft gibt es verschiedene Kantinen sowie ein eigenes kleines Krankenhaus. Und wenn der Arbeitstag vorbei ist, können die Mitarbeiter nochmals in der Kantine vorbeischauen und Abendessen für die Familie mitnehmen. Bei den Gesprächen mit den TVS-Managern wird schnell klar: Man möchte ein soziales, nachhaltiges Unternehmen sein. Ein Ansatz, der mir in der Form und Umfänglichkeit sogar in Europa kaum zu Ohren gekommen ist.

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Der iQube wurde bereits über 250.000 mal verkauft!

Viel technische Kompetenz

Doch kommen wir retour zu den Motorrädern von TVS. Alles hat mit einem 50-Kubik-Tretroller begonnen, das war im Jahr 1979. Bereits drei Jahre später betrieb man Zweiradrennsport und zwar durchgehend bis heute. Und seit 2013 ist man in enger Kooperation mit BMW, wodurch man auch viel gelernt hat. Daher verwundert es nicht, wenn TVS heute stolz seine Entwicklungsabteilungen herzeigt, absolut auf europäischen Standard, nur gefühlt immer mit dem Faktor zehn an Personal stärker besetzt. Ein Beispiel: Elektromobilität. Für BMW hat man gemeinsam mit München den neuen CE-02 Elektroroller entwickelt. Während viele Hersteller bei solchen Konzepten von verschiedenen Zulieferern einfach alles zukaufen, entwickelt man bei TVS bis auf die Akkuzelle alles selbst. Richtig gelesen, TVS kauft die Zellen ein und ab dann ist alles zu 100 Prozent Eigenkreation. Die E-Motoren werden selbst entwickelt, sogar die Spulenwicklung mit Kupferdraht wird selbst gemacht. Gleiches gilt für das Akkukonstruktion, die Steuerelektronik usw. Man könnte sagen, dass TVS es ähnlich wie Apple macht: Hard- und Software aus einer Hand. In Sachen Elektromobilität auf zwei Rädern forscht, entwickelt und produziert TVS seit fast zwei Jahrzehnten. Man hat damit ein Know-how aufgebaut, welches von BMW nur zu gerne für den CE-02 eingekauft wurde. Andere Bereiche wie Motoren-, Chassis-, Sound- und Designentwicklung sind ebenfalls üppig besetzt und brauchen Vergleiche mit Europa nicht zu scheuen. Zugegeben, hier war ich mehr als nur überrascht. Denn wenn man bedenkt, wo man jetzt steht, aber einfach ein zigfaches mehr an Personal hat, kann man sich schnell ausrechnen, wie steil die Lern- und Entwicklungskurve verlaufen wird, sogar verlaufen muss. Da kommt noch was… und da kommt viel!

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Das Modellportfolio für Europa von TVS.

Breite Modellpalette für Europa

So, genug der Hintergrundinfos, schauen wir uns die Modelle für den europäischen Markt genauer an. Mit Stand Ende März sind für das Jahr 2024 nicht weniger als acht verschiedene Modelle für Europa angedacht: Apache RR 310, Apache RTR 310, Ronin, Raider, iQube, NTorq 125, Jupiter 125 und später im Jahr noch der vollelektrische Roller TVS X. Fünf dieser Modelle konnte ich auf abgesperrter Strecke in Indien ca. zehn bis 20 Minuten ausprobieren, mein Kollege Horvath hat den Elektroroller TVS iQube S bereits ausführlich für euch getestet . Von mir bekommt ihr jetzt zu jedem anderen Modell die harten Fakten und die ersten Fahreindrücke beschrieben:

1000PS bei TVS in Indien
Die TVS Apache RR 310 - das emotionale Aushängeschild von TVS

TVS Apache RR 310

Sie ist das emotionale Aushängeschild von TVS, ein Sportmotorrad auf Basis der BMW G 310. Das bedeutet: Rahmen und Motor sind ident, dann fangen die großen Unterschiede aber schon an. Achtung an dieser Stelle: Die Apache RR 310 ist gerade mitten drinnen eine Überarbeitung zu erfahren, somit werden sich manche Eckpunkte bis zum Verkauf in Europa noch ändern können. Der wassergekühlte Einzylindermotor leistet 34 PS bei 9.700 Umdrehungen, und 27,3 Nm bei 7.7700 Umdrehungen. Für den Grip sorgen Michelin Road 5-Reifen, an der Front werkt eine KYB-USD-Gabel, im Heck ein Monofederbein, verstellbar in der Vorspannung. Es gibt vier verschiedene Riding Modes und ein sehr ansehnliches 5-Zoll-TFT-Display im Hochformat. Ebenfalls mit dabei: Ein Ride-by-Wire-System sowie ABS und eine Anti-Hopping-Kupplung. In der Überarbeitung wird sich das Ausstattungspaket noch näher an die weiter unten beschriebene RTR 310 angleichen. Fahreindruck: überraschend positiv. Die optisch stark Supersport-orientiere Apache RR 310 hat zwar Stummellenker, diese sind aber in einer noch bequemen Höhe auch für längere Touren montiert. Das Sitzdreieck aus Fußrasten, Sitzpolster und Lenkerhälften ist etwas sportlicher als auf einem Tourensportler aber auch nicht so radikal wie auf einem echten Superbike. Ein wirklich guter Kompromiss für den Alltag. Der Motor hat einen kraftvollen, dumpfen Klang, hängt gut am Gas, lässt sich fein dosieren und wirkt überraschend antrittsstark, ohne je zu überfordern. Trotzdem denkt man an mehr als die 34 PS und rund 27 Newtonmeter Drehmoment. Das Handling ist neutral und ausbalanciert, das Gefühl für das Vorderrad gut, die Bremse beißt vertrauenserweckend und berechenbar in die Einzelbremsscheibe. Das ABS regelt absolut klassentypisch und ist als unauffällig zu bezeichnen. Überraschend harmonisch fällt auch das Fahrwerk aus: Natürlich ist es kein ausgefeiltes High-End-Race-Fahrwerk, aber das Feedback von Front und Heck kommen präzise im Fahrerpopometer an und die Gabel stemmt sich mit Nachdruck gegen zu harte Bremsmanöver, ohne unterdämpft einzusacken. Schnell stellt man fest: Das Chassis würde deutlich mehr Leistung verkraften. In meinen Augen ein klares Qualitätsmerkmal.

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Die RTR 310 von TVS, ähnlich zur BMW G 310 R, nur mit besserer Ausstattung.

TVS Apache RTR 310

Die nackte Schwester der RR 310 heißt RTR 310. Auch hier sind Motor und Chassis praktisch ident zur BMW G 310 R, jedoch kommt die TVS-Version mit einer deutlich üppigeren Ausstattung. Von dem Nakedbike gibt es zwei Versionen: Standard und BTO. BTO steht für build to order und ist die Vollausstattung ab Werk mit vollverstellbarer KYB-USD-Gabel, verstellbarem Federbein, extrem umfangreichem Elektronikpaket mit Quickshifter, schräglagenabhängigen Fahrassistenzsystemen wie Traktionskontrolle, ABS und sogar Tempomat. Komplette LED-Beleuchtung gehört ebenso dazu wie gripreiche Michelin Road 5-Reifen, einem dynamischen Bremslicht und einem gekühlten Sitz. Ja, kein Witz, die RTR 310 bietet eine Sitzkühlung und die funktioniert auch tadellos. Ein absolut klassenuntypisches Feature. Der wassergekühlte Einzylinder leistet 35,6 PS und 28,7 Nm. Werte, die auch die RR 310 bekommen soll. Der Topspeed liegt bei beiden Apache-Modellen bei 160 km/h. Spielerisch ist das Handling, die Mehrleistung war nicht direkt spürbar, aber die Motorabstimmung ist nochmals feiner und besser als bei der Sportschwester. Die Sitzposition ähnelt jener der Yamaha MT-09, man sitzt aufrecht im Sattel, mit einem angenehmen, nicht zu sportlichen Kniewinkel und kann die RTR 310 so sehr präzise und leicht durch die Kurven zirkeln. Auch hier wieder ein toller Sound aus dem Auspuff, das Fahrwerk ist spürtbar besser und spendet extrem viel Vertrauen. Überraschend war, wie früh die Traktionskontrolle selbst in der schwächsten Stufe zu blinken beginnt, aber ohne dabei die Leistung ruppig zu unterbrechen. Ein besonderes Lob hat sich die Bedienung des Menüs verdient. Noch nie zuvor fiel es mir leichter im Sattel eines neuen Motorrads die Bedienlogik zu verstehen und mich ob der fünf verschiedenen Riding Modes und zig anderer Einstellmöglichkeiten zurecht zu finden. Großes Kompliment an die Ingenieure, ganz stark gemacht! Die RTR 310 wird vermutlich eines der wichtigsten Modelle für den Erfolg in Europa sein.

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Die TVS Ronin

TVS Ronin

Ohne Übertreibung, die TVS Ronin hat mich emotional am meisten abgeholt. Das Nakedbike mit leichter Scrambler- und Classic-Attitüde ist optisch wirklich schön gemacht. Die Metallic-Mehrfarbenlackierung wirkt edel und hochwertig, die Sitzposition ist gemütlich, entspannt und das Fahrgefühl entschleunigend. Trotzdem könnte es die TVS Ronin schwer in Europa haben und das liegt an ihrem untypischen Motor. Sie wird von einem luftgekühlten 225 Kubik-Einzylinder angetrieben, der schwungvolle und überraschend lebhafte 20,4 PS und knapp 20 Nm Drehmoment drückt. Der Topspeed liegt bei 140 km/h, die das stabile Fahrgestell auch locker zu bändigen weiß. Das dezentrale runde LCD-Digitaldisplay erinnert and Yamaha XSR 700 oder Ducati Scrambler, ist aber informativ genug, um die wichtigsten Infos zu bekommen. Auf der Ronin stellt sich schnell ein anderes Motorradfahren ein. Der Motor geht drehmomentstark zu Werke, fühlt sich überhaupt nicht nach nur 225 ccm an und klingt auch deutlich potenter als es das Datenblatt vermuten lässt. Langhuber-Feeling könnte man meinen. Das ABS arbeitet brav, die LED-Beleuchtung schaut schmuck aus und in Summe wirkt die Ronin einfach sehr harmonisch. Das Design mit einem etwas größeren Motor, rund 40 PS und der Erfolg wäre vorprogrammiert. Interessant: Laut TVS dient die Ronin im asiatischen Raum vielen Tuner und Customizern gerne als Basis, da ihre simple Technik viel Kreativität und Umbaumöglichkeiten zulässt.

TVS Raider

Das dritte Nakedbike aus dem TVS-Stall ist in Indien ein Megaseller und stellt für den europäischen Markt das Einstiegsprodukt dar. Der luftgekühlte 3-Ventil-Einzylinder leistet rund zehn PS und 11 Nm Drehmoment, der Topspeed liegt bei 99 km/h. Die Raider ist ein auf das Wichtigste reduziertes Motorrad, hat aber trotzdem LED-Beleuchtung und ein großes 5-Zoll-TFT-Display. Leider konnte ich die TVS Raider in Indien nicht ausprobieren, wir hoffen, dass wir das Motorrad im Laufe des Jahres noch fahren können.

TVS Jupiter 125

Bei den Rollern ist der TVS Jupiter 125 das Pendant zur Raider, also das Einstiegsmodell für den europäischen Markt. Der kleine, preiswerte Roller schafft 90 km/h Topspeed, produziert knapp 8 PS und 10,5 Nm Drehmoment. Scheibenbremse vorne, 33 Liter Stauraumvolumen unter der einteiligen Sitzbank und LED-Lichtsignaturen gehören zu den Highlights. Pfiffiges Extra: Der Tankeinfüllstutzen sitzt links vor dem Fahrerknie womit ein Betanken ohne absatteln möglich wird. Auch den TVS Jupiter 125 konnte ich in Indien nicht selbst probieren, daher kann ich leider keine Fahreindrücke mit euch teilen.

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Der NTorq ist ein 125er Sportroller von TVS mit gutem Sound

TVS NTorq 125

Der NTorq 125 ist im Vergleich zum Jupiter 125 ein klassischer Sportroller mit markanter, deutlich schärferer Optik, mehr Power (rund 10 PS, 10,6 Nm, 95 km/h Topspeed) und bedient mehr die jüngere Generation bzw. jene Rollerfahrer, die mehr auf Design achten als beim Jupiter. Den NTorq 125 konnte ich fahren, in Erinnerungen sind der gute Sound und die stark zupackenden Bremsen geblieben. Der Antrieb (via Variomatik) ist unauffällig und zu vergleichen mit vielen anderen Rollern dieser Gattung und Klasse. Die Verarbeitung ist auf gutem Niveau, vielleicht könnte noch das eine oder andere Kunststoffteil etwas wertiger ausfallen, aber da sprechen wir jetzt schon Details, die oftmals auch mit dem günstigen Preis aufzuwiegen sind.

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Der TVS X Elektroroller. Soll in der zweiten Jahreshälfte 2024 zu uns kommen.

TVS X

Ein weiteres Highlight könnte der TVS X werden. Der vollelektrische Roller mit einem coolen Design wurde uns als Prototyp vor Ort gezeigt, eine Probefahrt war leider nicht möglich, da er noch nicht komplett fertig war. Was wir aber schon ausprobieren konnte, war das riesige TFT-Display zwischen den Lenkergriffen, welches sich so hochauflösend wie ein Tablet präsentiert, inklusive kompletter Konnektivität. Der TVS X soll in der zweiten Jahreshälfte marktreif sein. Mehr Details ließen sich die TVS-Manager und Ingenieure leider nicht entlocken.

Bezugsquellen für TVS-Modelle in Europa und Preise

Für Frankreich steht mit Emil Frey bereits ein Importeur fest, für die Märkte Deutschland, Spanien, England und Italien werden bereits sehr intensive Gespräche geführt. Im Einklang mit seinen globalen Ambitionen wird TVS in den kommenden Monaten mit einer Vielzahl von Partnern in Schlüsselmärkten und ausgewählten Zielländern in der EU zusammenarbeiten. Gemeinsam mit der Expertise dieser Partner strebt TVS den Aufbau einer starken Präsenz auf dem gesamten europäischen Kontinent an, sagt Jan Breckwoldt dazu. Heißt: Wir werden uns noch ein bisschen gedulden müssen, bis wir mehr über das genaue Vertriebsnetz von TVS in Europa wissen. Das ist auch der Grund, warum wir hier keine Preise nennen können, denn diese stehen noch nicht fest. Der Fahrzeugpreis wird in erster Linie vom Importeur im jeweiligen Land festgelegt, es gibt nur grobe Preisvorstellungen von TVS, die ich im Videobeitrag als kleine Orientierungshilfe genannt habe.

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Philipp von 1000PS mit Jan Breckwoldt von TVS bei der Begrüßung in Hosur.

TVS kommt nach Europa: Und nun?

Meiner Einschätzung nach ist TVS ein nicht zu unterschätzender Player in der Motorradindustrie. Als Europäer neigt man dazu, neue Player am Markt aus China und Indien zuerst einmal zu belächeln. Ich halte diese Haltung für grundlegend falsch. Denn wenn man sieht, mit welchem Multiplikator hier gearbeitet wird, welcher Ehrgeiz und welches Know-how vorhanden sind, dann sollte man vorsichtig sein. Ich habe in Indien Konzepte, Fabriken und einen Marktzugang auf europäischem Niveau gesehen, punktuell sogar darüber. Ja, derzeit ist das Produktportfolio noch nicht komplett für den europäischen Markt angepasst. Aber mal ehrlich: BMW Motorrad vertraut nicht ohne Grund auf TVS. Das TVS-Management vermittelt einem das Gefühl, dass man den europäischen Markt nicht auf die leichte Schulter nimmt. Eher das Gegenteil ist der Fall: Das Unternehmen, welches rund vier Milliarden Dollar Umsatz macht, wirkt sehr lernwillig. Ich glaube, dass man ab jetzt zwei bis drei harte Jahre vor sich haben wird. Steht einmal das Importeurs-, Händler- und Vertriebsnetz, kann man den europäischen Markt mit genug Atem und Kapital in Angriff nehmen. Modelle wie Apache RR 310 und RTR 310 sind hochwertige Motorräder, die viel Ausstattung fürs Geld bieten, gut bis sehr gut verarbeitet sind und wirklich gut fahren. Klar, mit rund 35 PS ist man auf europäischen Straßen nicht der Kaiser. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass da noch mehr kommt, auch speziell für den europäischen Markt. Und wenn nicht direkt von TVS, dann sicher indirekt mit Norton. Fazit: Wir sind drauf und dran noch weiter Modelle von TVS für Tests zu bekommen, weil wir glauben, dass wir von der Marke auch in Zukunft noch viel erwarten können, auch in Europa.

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Bericht vom 29.03.2024 | 4.869 Aufrufe