Abenteuer am Ende der Welt - Motorradreise in Patagonien

Wie ist Motorradfahren am Ende der befahrbaren Welt?

Wenn eine Gegend auf unserem Planeten die Bezeichnung "Ende der Welt" verdient hat, dann ist es Patagonien im Süden Südamerikas. Wie es ist dort mit dem Motorrad zu reisen, habe ich bei den Dainese Expedition Masters erfahren.

Erst wenige Kilometer sind wir unterwegs, als mein in diesen ersten Minuten gesammelter Eindruck durch ein Verkehrsschild bestätigt wird. "Ruta Fin del Mondo", die Route zum Ende der Welt, steht da auf einem Schild inmitten einer menschenleeren Steppe. Außer dem im endlosen Wind wippenden, braunen Steppengras rührt sich hier nichts. Die braune Ebene erstreckt sich bis zum fernen Horizont und trifft dort auf düstere, schwarze Gipfel, um deren Spitzen sich die Wolken stauen. Als Mensch fühlt man sich hier einerseits verlassen, ganz klein und verloren, doch auch unendlich frei und losgelöst von den Sorgen des Alltags. Alles was hier zählt ist die Schotterstraße vor mir und die Maschine unter mir. Gas auf und ab in Richtung Horizont. So startet das Abenteuer in Patagonien.

Patagonien - Das Land der Langfüßer - Motorrad-Reise nach Südamerika

Eine Motorrad-Reise nach Patagonien muss aber nicht so starten, wie meine Tage in Argentinien. Die Region ist mit einer Fläche von 1,043 Millionen Quadratkilometern ca. doppelt so groß wie Spanien und bietet unterschiedlichste Landschaften. Die genauen Grenzen der Region wurden nie festgelegt, doch üblicherweise werden der Rio Colorado in Argentinien und Rio Bio Bio in Chile als nördliche Grenze und die Magellanstraße als das südliche Ende des Gebiets genannt. Dazwischen liegen mehr als 1.600 km, auf denen sich das äußerst dünn besiedelte Patagonien auf argentinischem und chilenischen Staatsgebiet zwischen Pazifik und Atlantik erstreckt. In den letzten Jahrtausenden hat sich dieses riesige Gebiet kaum verändert, blieb aufgrund seiner Abgelegenheit und klimatischen Lage von den meisten Folgen der menschlichen Entwicklung verschont und besticht dadurch auch heute noch mit einem ursprünglichen Flair und gigantischen, unberührten Landschaften. Der Name für das Gebiet stammt dabei vom portugiesischen Seefahrer Magellan, der auf seiner Weltumrundung im Jahr 1520 die nach ihm benannte Seestraße im Süden Südamerikas durchquerte und dabei großfüßige Einheimische beobachtete. "Patas" sind auf spanisch die Füße und "Patagones" bedeutet umgangssprachlich Großfüßer. Der Name Patagonia war geboren und hält sich nun seit 500 Jahren. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Patagonien und dem Feuerland, welches noch südlicher liegt und die Spitze Südamerikas bildet. Auch die "Tierra del fuego" hat ihren Namen von Magellan, der sie nach den Einheimischen "Tehuelche" benannte, die zum Feuer machen an den Strand kamen, wo die Seefahrer sie entdeckten. Deswegen: Feuerland.

Motorrad-Reise Patagonien
Die endlosen Weiten Patagoniens...

Klima und Reisezeit in Patagonien

Doch wie ist es hier am Ende der Welt Motorrad zu fahren? Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten, da das riesige Gebiet sowohl Regenwälder, als auch karge Steppen und Hochgebirge in den Anden zu bieten hat. Das in Chile liegende Westpatagonien ist generell deutlich niederschlagsreicher, als das hinter den Anden liegende Ostpatagonien in Argentinien. Die karge Hochebene dort wird umgangssprachlich "Pampa" genannt und ähnelt durch ihre Größe, die Trockenheit und extrem karge Besiedelung dem australischen Outback. Es ist die siebtgrößte Wüstenregion des Planeten und kratzt im Sommer der südlichen Hemisphäre, also in den Monaten Dezember, Jänner und Februar, höchstens an der 20°C Marke. In den Wintermonaten Juni, Juli und August liegt die Durchschnittstemperatur unter 0°C und kann auch weit unter den Gefrierpunkt fallen.

Patagonien Motorradreise mit Dainese
Aus eigener, feucht-kalter Erfahrung weiß ich: Warme und wasserdichte Motorradkleidung ist im kühlen Patagonien ein MUSS.

Die beste Reisezeit für uns Motorradfahrer sind dementsprechend November bis April. Badewetter und Hitze sollte man sich aber auch in diesen Monaten nicht erwarten. Immerzu geht der Wind, in Küstennähe wird das Wetter wechselhaft vom Meer hereingetrieben und in den höheren Lagen halten sich Schnee und Kälte sehr lange. Ich selbst war Anfang April, also im südlichen Herbst in Patagonien. Von Regen bei 1°C und Sonnenschein bei 18°C war alles dabei.

Anreise nach Patagonien

Die Anreise ins ferne Patagonien gestaltet sich nicht allzu leicht, selbst ohne Motorrad. Es gibt keine internationalen Direktverbindungen zwischen Europa und Patagonien. Zumindest ein Stopp in Argentiniens Hauptstadt Buenos Aires oder in Santiago de Chile ist notwendig. Meine Anreise Geht sogar von Wien über Paris nach Sao Paolo und schließlich über Cordoba nach El Calafate, dem Tor zum Nationalpark Los Glaciares.

Dainese Expedition Masters

Dabei trete ich die Reise nicht alleine an. Ich bin Teil der Dainese Expedition Masters. Bei dieser Abenteuer-Veranstaltung des italienischen Motorradbekleidungsherstellers, soll Kunden ein unvergleichliches Erlebnis und unvergessliches Abenteuer mit Dainese und Partnern geboten werden. Dabei werden die Teilnehmer mit Dainese Kleidung und Ausrüstung ausgestattet und nehmen exotische Destinationen in Angriff. Sardinien, Island und Utah standen in der Vergangenheit am Programm. Heuer kamen eine Tour im Himalaya Gebirge und Patagonien hinzu. Die offiziellen Teilnehmer starteten sogar in der südlichsten Stadt Südamerikas, in Ushuaia im Feuerland und fuhren dann auf einer 8-tägigen Tour 1.600 km bis nach Patagonien. Wir Journalisten nehmen eine verkürzte, viertägige Variante der Tour zwischen El Calafate in Argentinien und Puerto Natales in Chile unter die Räder. Als Fahrgeräte dienen bei unserem Trip Ducati DesertX. Nach der langen, zachen Anreise heißt es im Tourismus-Zentrum der patagonischen Steppe in Argentinien, in El Calafate, endlich: Gentlemen, start your engines!

Dainese Expedition Masters in Patagonien
Die gut gelaunte Truppe der Dainese Expedition Masters in Patagonien vor dem Start in El Calafate.

Endlose Weiten & tückische Straßen - Motorradfahren in der patagonischen Steppe

Ausgangspunkt unserer Tour ist, wie für viele Besucher Patagoniens, die Stadt El Calafate in der argentinischen Santa Cruz Region. Mit ihren vielen Hotels, Shops, Reisebüros und Anbietern unterschiedlichster Touren hat sich die Kleinstadt zum Zentrum für Touristen im zentralen Patagonien positioniert. Je nach Jahreszeit variiert die Anzahl an Einwohnern zwischen 15.000 und 40.000 Personen. Zu unserer Reisezeit im Herbst wuselt es auch noch ziemlich auf der Einkaufsmeile im Zentrum, doch über der Stadt erheben sich gut sichtbar die braunen Hügel der Steppe, die direkt nach dem Ortsende beginnt.

Motorradreise Patagonien
El Calafate am ersten Abend. In der Ferne thronen heißungsvoll die Berge Patagoniens. Die Steppe beginnt beim Ortsausgang.

Noch am Rande El Calafates wechseln die Straßen mit Ausnahme der wichtigsten Fernverbindungsstrecken von Asphalt zu Schotter und keine 200 Meter nach dem letzten Haus beginnen die Schotterautobahnen, die kennzeichnend für die Steppe sind. Breit genug für drei bis vier Autos erstrecken sie sich schnurgerade dem Horizont entgegen. Staubfahnen steigen in der Ferne von vereinzelten PKWs und LKWs auf, doch der Verkehr verteilt sich in der endlosen Weite recht gut und bleibt in einem geringen Ausmaß. Kein Verkehr, kaum Kurven und breite Fahrbahn - Klingt nach einem leichten Start in die Reise... Doch die Schotterautobahn ist tückischer, als es der erste Anschein vermuten lässt. Voller Euphorie und motiviert für die erste Tagesetappe nimmt die Gruppe die erste Wegstrecke in Angriff. Bei den extremen Weiten und wenig abwechslungsreichen, geraden Straßen möchte jeder ein flottes Tempo an den Tag legen, denn schließlich ist unser Ziel der berühmte und spektakuläre Perito-Moreno Gletscher am See Argentino. El Calafate liegt schon an diesem größten See Argentiniens, durch die vielen Seitenarme und verzweigte Form geht es zum Gletscher aber auch ein Stück durch die Wüste.

Motorradtour Patagonien
Die breiten Schotterstraßen Patagoniens sind tückischer als gedacht. Zu Staub und Seitenwind gesellen sich noch tiefe Schotterfelder und nahezu unsichtbare Steine im Erdboden.

Die Ducati DesertX ist eine sportliche und auch bei hohen Geschwindigkeiten sehr stabile Reiseenduro, dennoch treibt mir die Fahrerei über das staubige Band bald den Schweiß in die Augen. Die Oberflächen der Straße besteht nämlich aus feinem bis groben, runden Schotter. Darunter ist die trockene Erde knochenhart und selbst auch noch mit festen Steinen gespickt. Die hier anzutreffenden, schweren Trucks und Geländewagen schieben den losen Teil der Fahrbahnoberfläche aus ihrer Fahrspur, von denen es auf der breiten Straße aber mindestens 10 gibt. Das Ergebnis ist ein Rollfeld aus parallel verlaufenden Streifen, abwechselnd bestehend aus tiefem, groben Schotter und harter, blank liegender Erde. Am Motorrad bei ca. 80 bis 100 km/h Reisegeschwindigkeit muss man hier höllisch aufpassen und höchst konzentriert die Fahrlinie berechnen, denn natürlich liegen auch genug der losen Steine zwischendurch im freien Streifen. Trifft man diesen lockeren Kies oder festen Stein unvermittelt, beutelt es den Lenker und die Front der DesertX ganz ungeheuerlich. Vor allem anfangs schnalzt es mir bei jedem Rüttler, von denen es am ersten Tag einige gibt, das Adrenalin in die Adern, das Herz pocht in den Ohren und die Möglichkeit eines ziemlich schmerzhaften Abstiegs bei recht flottem Speed scheint nur allzu real. Doch die Kilometer verfliegen ohne unfreiwilligen Bodenkontakt und bis wir den Los Glaciares Nationalpark erreicht haben, nehme ich die konstante Bewegung und unregelmäßig auftretenden Wackler schon etwas gelassener. Doch eines ist mir inzwischen klar geworden: Das Abenteuer in Patagonien wird keine gemütliche Sonntagsausfahrt.

Die Gletscher von Patagonien - Einer der spektakulärste Anblicke der Welt

Schon auf Satellitenaufnahmen sind die sich über hunderte Kilometer erstreckenden Gletscherfelder Südamerikas klar erkennbar. Der Nationalpark Los Glaciares erstreckt sich über 726.927 Hektar und ist seit 1981 UNESCO-Welterbe. Die zahlreichen, spektakulären Eisriesen sind nicht nur zum Anschauen gut, sondern auch geführte Wandertouren über die unterschiedlichen Gletscher stehen hoch im Kurs. Der bekannteste Eisgigant ist jedoch der Perito Moreno Gletscher. Nach unserem traumhaften Mittagsstopp am Rand des Nationalparks geht es weiter auf Schotter in Richtung des Ufers des Lago Argentino. Die stark touristisch genutzte Straße wechselt bald auf Asphalt und bietet nicht nur schöne Ausblicke auf den tiefblauen See, sondern auch die ersten "echten" Kurven. Und in der Ferne blitzt immer wieder die türkise, flache Form des Perito Moreno Gletschers auf, dessen Größe bis zuletzt kaum begreifbar bleibt. Unser ca. 15-köpfiger Trupp parkt beim Besucherzentrum auf einer waldigen Anhöhe des hügeligen Seeufers. Dort beginnen die in den Hang gebauten Beobachtungsplattformen gegenüber der Gletscherzunge. Diese Aussichtspunkte wurden vor allem wegen eines ganz besonderen Naturschauspiels, die auch der Grund für die Bekanntheit des Perito Moreno sind, gebaut.

Motorradreise Patagonien
Schon aus der Ferne sieht der Perito Moreno Gletscher spektakulär aus.

Direkt davor stehend bietet der Perito Moreno einen atemberaubenden Anblick. Dabei sieht man eigentlich nur die fünf Kilometer breite Gletscherzunge genau. Während die meisten Gletscher aufgrund des Klimawandels schrumpfen, behält der Perito Moreno-Gletscher ein Gleichgewicht zwischen Eisschmelze und Eisbildung bei. Sein Kern liegt im Hintergrund zwischen den Gipfeln der Anden und bedeckt eine Fläche von insgesamt 250 Quadratkilometern. Von dort ergießt sich die Gletscherzunge ins Tal in den Lago Argentino und schiebt sich in den See. Das bloße Auge schafft es gar nicht die Dimensionen des Eises richtig wahrzunehmen, denn bis zur surrealen Höhe von 70 m ragt die Eiswand über der Oberfläche des türkisen Schmelzwassers gen Himmel, und darunter ist das Eis noch dicker. Die sich nachbildenden Eismassen schieben die Gletscherzunge quer durch den See, die bei unserem Besuch des Gletschers schon fast das gegenüberliegende Ufer mit dem Besucherzentrum erreicht hat. Wenn es soweit ist, findet das angekündigte Naturschauspiel statt. Alle zwei bis vier Jahre teilt die Gletscherzunge den Lago Argentino und bildet einen Damm aus Eis. Das Wasser des Sees staut sich am Damm, baut Druck auf und beginnt das Eis auszuhöhlen. Gigantische Tunnel entstehen unter und im Eis, die Eisdecke wird labil und kracht tosend in sich zusammen. Dabei stürzen Häuserblöcke aus Eis tosend ins Wasser. Ein einzigartiger Anblick!

Perito Moreno Gletscher Patagonien
Lang dauert es nicht mehr, dann bildet die Gletscherzunge wieder einen Damm aus Eis quer durch den Lago Argentino.

Auch abseits dieser besonderen Zeit gibt es am Perito Moreno spektakuläre Eisabbrüche, auf die alle Besucher des Gletschers hoffen. Wir hören beim Abstieg zu den Aussichtsplattformen ein gewaltiges Rauschen, verpassen aber einen solchen Eissturz knapp. Nur die Bus-großen Eisblöcke im Wasser zeugen vom kürzlichen Ereignis. Konstant kracht und knackt das Eis, wodurch die Hoffnung auf eine weitere Action-Einlage erhalten bleibt, doch wir haben kein Glück. Dennoch bleibt der Perito Moreno auch ohne großen Eissturz ein beeindruckendes Erlebnis und Must-See Patagoniens.

Perito Moreno Gletscher in Patagonien
Kaum zu glauben, aber diese Eiswand ist über der Wasseroberfläche 40 Meter hoch.

Augen auf! - Gefährliche Tierwelt Patagoniens

Am zweiten Fahrtag heißt es Kilometer fressen. Um den chilenischen Teil Patagoniens zu erreichen, folgen wir südlich der Ruta 40 quer durch die patagonische Steppe. Wie mit dem Lineal gezogen durchschneiden hier die Straßen die endlose Weite. Sanfte Hügel, weitläufige Plateaus und das trockene, kalte Klima formen diese karge, braungelbe Ebene. Vom Menschen gemachtes sieht man hier wenig, außer Zäune und umherziehende Schafsherden. Doch in dieser endlosen, ungestörten Prairie gibt es natürlich auch zahlreiche wilde Tierarten. Manche sind majestätisch, wie unterschiedlichste Arten großer Raubvögel und Adler, manche süß, wie die flugunfähigen Vogelsträuße Patagoniens, die Nandus. Diese bis zu 1,5 m großen Tiere sind mit ihrem gräulichen Federkleid sehr gut zwischen den Grasbüscheln getarnt. Immer wieder bemerke ich sie erst wenige Meter vom Motorrad entfernt wegsprinten, wobei sie bis zu 60 km/h erreichen können. Immerhin sind sie aber schlau genug, um von unseren Fahrzeugen wegzulaufen, was nicht für alle Tiere der patagonischen Steppe gesagt werden kann.

Motorrad Reise Patagonien
Die kleinen Vogelsträuße Patagoniens, die Nandus, sind bestens getarnt zwischen den braunen Grasbüscheln.

Neben der Fahrlinie auf den durchzogenen Schotterstraßen verlangt in Patagonien auch die Umgebung vom Fahrer höchste Aufmerksamkeit. Zwar sind fast immer Zäune entlang der Straßen aufgestellt, doch die halten höchstens die Schafe auf. Den Guanacos, einer Lama-ähnlichen Kamelart, sind sie jedoch eher nur ein lästiges Hindernis, welches sich mit einem Sprung überwinden lässt. Guanacos sehen einem Alpaka oder Vicuña sehr ähnlich, sind aber noch schlanker gebaut, wiegen bis zu 100 kg und verschmelzen mit ihrem rötlich-braunen Fell nahezu perfekt mit ihrer Umgebung. Das gefährliche daran ist aber, dass Guanacos sich häufig in der Nähe der Straßen aufhalten und auch das Konzept von sich schnell nähernden Fahrzeugen nicht begreifen können. Wie bei uns daheim so manches Reh, rennen die aufgeschreckten Tiere oft auch direkt in die fahrenden Fahrzeuge. Zahlreiche eingetrocknete Blutlachen, Fahrzeugteile und Skelette am Wegesrand zeugen von der Regelmäßigkeit der Unfälle mit Guanacos. Auch wir werden vor unserem Start von Roberto, unserem lokalen Guide, eindringlich vor den Tieren gewarnt. Dabei sind sie eigentlich ganz süß und tun mir irgendwie leid. Vor allem diejenigen, die sich vor lauter Panik bei der Flucht in den Zäunen verfangen haben und nun dort als sonnengebleichte Skelette von ihrem grausamen Ende berichten.

Motorrad-Tour Patagonien
Süß und dumm - Die Guanacos sind beides. Vor allem auf den langen Geraden in der Steppe muss man sich vor den suizidalen Tieren in Acht nehmen.

Fahrtraining on Tour - Dainese Riding Masters

Damit man mit Guanacos, Seitenwind und tiefem Schotter gut zurecht kommt, gibt es bei den Expedition Masters ein eingebautes Fahrtraining. Dainese veranstaltet mit den Riding Masters auch Fahrkurse und Trainings für Kunden und baut einen Teil dieses Know-Hows und Programms vor Ort ein. Stehposition, richtiges Bewegen im losen Gelände und ein paar Tricks bekommt man von Profifahrern an praktischen Beispielen erklärt und vermittelt. Auch das richtige Aufheben des großen Adventure Bikes ist eine der behandelten Lektionen. Ausgestattet mit den Tipps und Tricks der Profis fährt es sich wesentlich souveräner und selbstsicherer zwischen Schotterfeldern und lebensmüden Tieren hindurch. Und auch das Terrain wird bald anspruchsvoller.

Dainese Expedition Masters in Patagonien
Stürzen will gelernt sein... und das Aufheben auch! Die Experten von Dainese erklären die richtige Technik und schauen mir auf die Finger.

Abwechslungsreicher, nasser & kälter - Die chilenische Seite Patagoniens

Nach knapp 200 km nähern wir uns der chilenischen Grenze. Gefühlt steht mitten im Nirgendwo der kleine argentinische Grenzposten. Abgesehen von einem verspielten Hund und der Handvoll an Grenzbeamten tut sich hier nichts. Das Prozedere zur Ausreise zieht sich dennoch etwas. Pass, Fahrzeugdokumente und Versicherungen werden genau geprüft. Zum Glück haben wir Roberto, der schon alle Zettel vorbereitet hat und die Fragen der Beamten zielsicher beantworten kann. Ein schneller Kaffee im Allzweckladen beim chilenischen Grenzhaus und schon geht es weiter.

Patagonien Chile am Motorrad
Gleich nach der argentinisch/chilenischen Grenze verändert sich die Landschaft drastisch. Es wird grüner, feuchter und kurviger.

Quasi sofort ab der Grenze wandelt sich auch die Landschaft plötzlich. Die braune, ewig gleiche Wüstensteppe wird gebirgiger, sattgrünes Gras und Sträucher sprießen empor und die Hänge der Hügel erstrahlen im herbstlichen Gelb und Rot der sich verfärbenden Bäume. Die hohen Anden stauen die vom Pazifik kommenden Wolken an ihren mächtigen Gipfeln, wo sie sich abregnen. Für die argentinische Ostseite der Berge bleibt dann kaum noch Feuchtigkeit über und das riesige Wüstengebiet ist das Ergebnis dieses Wetterphänomens. Auch uns erwischt recht bald der erste Regen, doch das stört uns nicht. Zu verzaubert sind wir von der neuen, deutlich abwechslungsreicheren Umgebung. Bunte Wälder, satte Wiesen, schroffe, teils schneebedeckte Gipfel und ein dunkles Meer treffen hier aufeinander und sorgen für einen ganz anderen Flair, als im argentinischen Patagonien. Und auch die extrem breiten, ewig geraden Straßen werden schmaler und kurviger. Teils am Asphalt, teils auf feinerem Schotter geben wir mit unseren DesertX mächtig Stoff und lassen uns mit breitem Grinser unter dem Helm in die ersten ordentlichen Kurven. Die Fahrt in Argentinien war zwar auch ein tolles, einzigartiges Erlebnis, doch rein fahrerisch auch auf der anstrengend-fordernden Seite.

Patagonien Motorrad Reise
Traumhafte Aussichten im chilenischen Patagonien

Motorrad-Ausrüstung für Patagonien - Besser warm und dicht!

Unser Ziel in Chile ist Puerto Natales. Die 20.000 Einwohner Stadt liegt am Ufer des Seno Última Esperanza Fjords, einem beeindruckenden Meeresarm umgeben von Gletschern und den spektakulären Gipfeln des Torres-del-Paine-Nationalparks. Früher war der Ort einer der größten Vieh-Umschlagplätze und Verladehäfen Südamerikas, bis der Bau des Panama-Kanals 1914 die Magellanstraße und das naheliegende Puerto Natales auf einen Schlag redundant machte. Doch noch immer bestehende, gigantische Werften zeugen von der einst massiven Viehindustrie, die tierische Produkte in die ganze Welt verschifften. Eine dieser alten Hafenwerften ist aber auch heute noch besuchenswert. Das "Singular Patagonia" ist nicht nur ein schickes 5-Sterne Hotel, sondern beherbergt in den restaurierten Werftshallen auch ein Museum, inklusiver alter Fabriksmaschinen, Werkzeuge und mehr, und ein sehr feines, einzigartiges Restaurant. Hier hält auch der Tross der Dainese Expedition Masters und genießt im atemberaubenden Ambiente Guanaco Carpaccio und feinste Meeresspeisen, wie es für Chile typisch ist.

Puerto Natales Patagonien Motorrad
Puerto Natales in Chile war einst ein wichtiger Hafen für den Export von tierischen Produkten. Heute ist es ein eher ruhiges Städtchen, welches mit mächtigen Bergen und Gletschern besticht.

Das Wetter war schon am Abend nicht gerade einladend, doch nach einer Nacht im ebenfalls empfehlenswerten, skandinavisch anmutenden Hotel Remota, ist das Wetter so richtig mies geworden. Dicke Regentropfen fallen vom Himmel, der schon bisher stets presente Seitenwind bläst noch stärker und kälter und die Temperatur ist im Display der DesertX auf 1°C gesunken. Jetzt kommt der erste echte Test für unsere Dainese Wäsche. Generell empfiehlt es sich für einen Motorradtrip nach Patagonien eher warme und wasserdichte Ausrüstung einzupacken. Selbst im trockenen Argentinien ist es bei sehr windigen 18 Grad nicht unbedingt heiß und nachts oder bei schlechtem Wetter wird es schnell bitterkalt. Durch den unerlässlichen Wind prasselt der Regen auch mit recht viel Druck auf Fahrer und Maschine, weshalb Kleidung mit ausreichend hohen Wassersäulen wichtig sind.

Motorradreise Patagonien
Egal ob das Wasser von oben oder unten kommt, mit der wasserdichten Dainese Hekla Absoluteshell Pro 20k Textilkombi bin ich gegen Nässe und Wind gefeit.

Für dieses harsche Wetter hat Dainese genau die richtige Ausrüstung gewählt. Wie jeder Teilnehmer bei den Expedition Masters bin auch ich nicht mit eigener Ausrüstung angereist, stattdessen ist das gesamte Set an Motorradausrüstung, inklusive der Freizeit- und Unterwäsche, teil des Programms. Und Dainese hat genau die richtigen Sachen für das harsche Klima Patagoniens ausgewählt. Ich bin ausgestattet mit der Dainese Hekla Absoluteshell Pro 20k Textilkombi, AGV AX9 Mono Helm, Dainese Thunder Gore-Tex Handschuhen und Dainese Seeker Gore-Tex Stiefeln. Alles ist wasserdicht schon ab der ersten Schicht, so erspart man sich im wechselhaften Chile ständiges Umziehen und nachadjustieren. Dank Gore-Tex ist die Ausrüstung dennoch atmungsaktiv und Belüftungsschlitze sorgen in den seltenen, wärmeren Phasen für etwas Abkühlung. Egal wie sehr es schüttet, das für eine Wassersäule von 20.000 mm ausgelegte 2-Lagen-Laminat der Hekla Textilkombi hält Stand. Darunter wärmt die eng anliegende Wind-Stopper-Innenjacke von Dainese. Wasserdichte Außentaschen schützen auch mein Filmequipment und besonders positiv sind auch die Thunder Handschuhe hervorzuheben, die dank festersitzender Innenhaut trotz ihrer Dicke deutlich mehr Feingefühl bieten, als die meisten anderen Winterhandschuhe. Einen genaueren Test zu den einzelnen Kleidungsstücken gibt es demnächst auf unserem 1000PS Instagram-Kanal.

Dainese Motorrad Tour Patagonien
Auch kalte Temperaturen und Regen vermiesen uns die Laune in Patagonien nicht.

Die Türme des Teufels - Mit dem Motorrad im Torres del Paine Nationalpark

Aber auch mit guter Ausrüstung ist es einfach angenehmer bei schönerem Wetter. Wir fahren nordwestlich in Richtung des Nationalparks Torres-del-Paine und gerade bei den "Türmen von Paine" brauchen wir gutes Wetter. Diese Formationen aus Granitgestein sind das zweite große Sightseeing-Highlight unserer Reise und auf der ganzen Welt bekannt. Auf einer Höhe zwischen 2.600 und 2.850 Metern ragen drei Türme aus schwarzem Fels mit nahezu senkrechten Flanken spektakulär in den Himmel. Doch durch das wechselhafte Wetter hängen auch oft die Wolken rund um die Spitzen der Türme und verdecken diese. Laut der alten chilenischen Sagen liegt das am Teufel, der zwischen den Türmen wohnt und von dort aus Unwetter heraufbeschwört. Doch uns scheint er gewogen zu sein, denn je näher wir den Gipfeln kommen, desto besser wird es. Schon die Anfahrt durch das chilenische Patagonien ist ein Traum. Rote Blätter auf weißen Ästen und Stämmen schaffen ein unwirkliches Bild. Massive Felsformationen schmücken unseren Weg und immer wieder segeln sogar Condore, riesige Raubvögel, über unserem Tross. Die Schotterstraße geht in sanften Kurven auf und ab durch diese Landschaft und bietet einige unfassbare Panoramen. Zuerst grasen Kühe und Schafe am Wegesrand, dann plötzlich wilde Pferde. Wir haben den Nationalpark erreicht und sehen zum ersten Mal die Torres del Paine. Ein unfassbarer Anblick!

Motorrad Reise Patagonien
Die Wildpferde vor den mächtigen Türmen des Paine... So ein Anblick treibt einem schon mal das Pipi in die Augen.

Wir haben Glück, denn es ist auch keine Seltenheit, dass die Turmspitzen wochenlang von Wolken verdeckt bleiben. Je näher man den Türmen kommt, desto imposanter werden sie. Doch auch abseits der Torres bietet der Nationalpark richtig viel. Da gibt es zum Beispiel noch viele weitere schroffe Andengipfel, einen unnatürlich türkisen Salzsee, schaurige, tote Wälder, spektakuläre Gletschermassive und türkise Gletscherseen mit dicht bewachsenen Inseln in ihrer Mitte. Und dann kommt hier auch noch die Fahrerei hinzu. Die schmalen, knapp zweispurigen Schotterwege führen kurvig und in stetem Auf und Ab durch dieses zerklüftete Terrain. Inzwischen sind alle mit ihren Fahrgeräten bestens vertraut und so pflügen wir flott und vor lauter Euphorie fast schon etwas unvernünftig durch diese atemberaubende Landschaft. Die sensationelle Umgebung, gepaart mit der spaßigen Streckenführung, machen die Fahrt durch den Torres-del-Paine-Nationalpark zu einer der besten Strecken, auf denen ich je unterwegs war, und nicht nur ich werde mehrfach sentimental im Angesicht der sich bietenden Kulisse. Als wir dann auch noch zum Mittagsstopp über schmale Holzstege auf die am Fuße der Türme im Gletschersee liegenden Inseln spazieren und in dem dort erbauten, urigen Holzhaus ein feinstes Mittagessen einnehmen, ist das Erlebnis fast zu gut um wahr zu sein. Das findet wohl auch der Teufel, denn innerhalb einer halben Stunde wechselt das Wetter wieder auf Sturm und die Türme verschwinden hinter einer dunkelgrauen Wolkendecke.

Torres del Paine in Patagonien mit dem Motorrad
Der unfassbare Anblick der Torres del Paine beeindruckt.

Nur nicht übermütig werden! - Rückkehr nach Argentinien

Am nächsten und letzten Tag geht es wieder zurück nach Argentinien. Die Landschaft wird wieder flacher und brauner, der Regen bleibt ebenfalls im niederschlagsreichen Teil Patagoniens und es heißt wieder Kilometer-fressen in der Steppe. Stundenlang gibt es nur uns, ein paar Schafe, Guanacos und Nandus am Wegesrand und die tückische Straße unter uns. Selbstsicher durch die überstandenen Abenteuer und vielleicht etwas gelangweilt von den monotonen Schotterautobahnen wird so mancher Kollege übermütig. Etwas zu viel herumgeblödelt, zu vehement das Gas aufgemacht und schon verwandeln die 110 PS der DesertX die runden Schottersteine in zerstörerische Geschosse. Insgesamt haben trotz Kühlerschutz dreimal Maschinen durch Steinschlag verursachte Löcher in den Wasserkühlern, zwei davon am letzten Tag. Zum Glück gibt es bei den Dainese Expedition Masters auch fähige Mechaniker im Tross, die auf solche Vorfälle vorbereitet sind und abends sogar noch den Kühler komplett austauschen. Dennoch sollte man als Motorradfahrer in Patagonien lieber etwas mehr Abstand zu anderen Fahrern einnehmen, denn die steinigen Geschosse sind nicht nur für die Maschinen, sondern auch für den Fahrer gefährlich. Individual-Reisende sollten doppelt vorsichtig sein, da der nächste Mechaniker oder medizinische Hilfe im weitläufigen Patagonien nicht gerade um die Ecke liegt. Auch Tankstellen sind nicht übermäßig häufig anzutreffen, entlang der Hauptrouten und asphaltierten Straßen aber häufig genug, um mit der Reichweite von Reiseenduros gut durchzukommen. Und das Tanken ist extrem günstig, da Benzin im Feuerland und Patagonien vom Staat mit 30 % subventioniert wird. Der Liter kostet umgerechnet ca. 60 cent/Liter.

Motorrad Reise Patagonien
Die Bedingungen in Patagonien stellen auch die Bikes auf eine harte Probe. Insgesamt drei Kühler werden auf der Reise durchlöchert. Die rabiate Gashand der italienischen Kollegen könnte aber auch etwas Mitschuld haben.

Ganz anders als daheim! - Fazit zur Motorrad-Reise in Patagonien

Selbst mit den angeschlagenen Maschinen schaffen wir es wieder durch die Wüste und zurück nach El Calafate. Auf den letzten Kilometern bleiben wir noch einmal auf dem letzten Hochplateau stehen und saugen den mächtigen Anblick Patagoniens in uns auf. In der riesigen Ebene vor uns ist nichts zu sehen, als das sich im Wind wiegende Gras, ein paar Guanacos und das blaue, verschlungene Band des Rio Santa Cruz. Solche unberührten Weiten sind uns im dicht besiedelten Europa kaum bekannt. Hier fühlt man sich ganz klein, ist gleichzeitig einsam und völlig frei. Fahrerisch mag es für Motorradfahrer abwechslungsreichere Orte als Patagonien geben, doch wer sich auf eine völlig fremde, einzigartige Natur mit atemberaubenden Dimensionen einlassen möchte, der ist hier am südlichen Ende der Welt genau richtig. Ob im Zuge einer organisierten Tour wie den Dainese Expedition Masters, oder selbstständig geplant, Patagonien bietet Motorradfahrern durch seine Abgeschiedenheit, die Ursprünglichkeit der Landschaft, exotische Natur und das wechselhafte Klima Abenteuer-Feeling pur. Vor allem der chilenische Teil Patagoniens hat mich schwer begeistert und die wenigen Tage im Land der Großfüßer haben nur den Wunsch nach mehr geweckt. Die Distanz nach Patagonien ist zwar gewaltig, doch ich muss dennoch irgendwann wieder zurück ans Ende der Welt!

Motorrad Reise Patagonien
Die Dainese Expedition Masters haben Patagonien eindrucksvoll in Szene gesetzt. Doch es gäbe hier noch so viel mehr zu sehen! Das schreit nach einer Wiederholung in der fernen Zukunft......
Autor

Bericht vom 03.07.2023 | 11.364 Aufrufe

Empfohlene Berichte

Pfeil links Pfeil rechts